
Masterthesis - Bridgeside Cooperative Lisbon
Theoretische Analyse und Städtebaulicher Entwurf mit Architektonischem Realisierungsnachweis
Im Rahmen meiner Masterthesis entwickelte ich ein architektonisches Konzept für ein genossenschaftliches Wohnprojekt in Lissabon: die „Bridgeside Cooperative“. Der Entwurf reagiert auf die drängende Wohnungsfrage der Stadt mit einem großmaßstäblichen, sozial durchmischten und gemeinschaftlich orientierten Ansatz. Auf einem rund 20.000 m² großen Grundstück verbindet ein geschwungener, fünfgeschossiger Wohnriegel die Stadtteile Marvila und Beato. Mit großzügigen Gemeinschaftsflächen, barrierefreiem Wohnen, einem öffentlichen Quartierspark im Zentrum und vielfältigen Wohnungstypen entsteht ein nachhaltiges und inklusives Quartier, das Architektur als soziales Bindeglied versteht.
Masterthesis MA Architektur SS 2024
Betreuung:
Prof. Johannes Kalvelage
Hochschule Anhalt, Dessau/Deutschland
Prof. Nuno Griff, Embaixada arquitectura
Universidade Lusófona, Lissabon / Portugal
Standort:
Marvila/Beato, Lissabon, Portugal
Fokus:
Theoretische Evaluierung, Analyse und praktische Umsetzung durch einen architektonischen Entwurf im urbanen Kontext
Note der Abschlussarbeit: 1,3

Die Innenhofgestaltung des Projekts folgt der architektonischen Typologie des Atriumhauses, inspiriert von historischen Konventen in Marvila und Beato. Diese Gebäude – wie das Convento do Beato oder das Convento de Santos-o-Novo – prägten mit ihrer Anordnung um zentrale Höfe die urbane Entwicklung der Umgebung. Auch moderne kooperative Wohnprojekte wie La Borda in Barcelona oder WagnisArt in München greifen auf diese räumliche Organisation zurück. Der Entwurf interpretiert das klassische Atriumhaus neu: Aus der kompakten Grundform entwickelt sich eine dynamische Geste, die Schutz bietet und gleichzeitig Offenheit erzeugt. Der Innenhof fungiert als verbindendes, gemeinschaftsbildendes Zentrum und ist Ausdruck einer zeitgemäßen, sozial orientierten Architektur.

Das Gebäude gliedert sich funktional in unterschiedliche Geschossebenen. In den oberen Etagen befinden sich vorwiegend Wohnnutzungen mit 200 bis 220 Einheiten, wobei ein Teil der Flächen flexibel als Büroflächen genutzt werden kann (ca. 1.110 m²). Die Wohnungen variieren zwischen 23 m² und 72 m² und sind vorwiegend als kleinere Einheiten geplant – angepasst an die tatsächliche Nachfrage im Rahmen eines partizipativen Planungsprozesses. Im Erdgeschoss befinden sich gemeinschaftliche und gewerbliche Nutzungen (ca. 2.660 m²), die entweder von Mitgliedern der Genossenschaft genutzt oder extern vermietet werden können. Ein integraler Bestandteil ist die rund 690 m² große Kindertagesstätte, die auf den hohen Bedarf an Kinderbetreuung in Lissabon reagiert und zur sozialen Durchmischung beiträgt. Zudem fördern barrierefreie Wohnungen die Inklusion älterer oder mobilitätseingeschränkter Menschen. Die Grundstücksfläche beträgt rund 28.000 m², die Bruttogeschossfläche liegt bei ca. 28.000 m², mit einer Geschossflächenzahl von etwa 1,0.

Der Lageplan basiert auf gezielten städtebaulichen Entscheidungen, die das Ziel verfolgen, einen lebenswerten und geschützten Wohnraum in einem von infrastrukturellem Wandel geprägten Umfeld zu schaffen. Durch die Verlegung der Brückenzufahrt nach Osten wird nicht nur die Lärmbelastung für das Quartier reduziert, sondern auch ein großzügiger Nachbarschaftspark westlich des Wohngebäudes ermöglicht. Die sechsgeschossige Bebauung bildet eine klare, durchgehende städtebauliche Kante, die als schützender Rücken zur lärmintensiven Infrastruktur fungiert. Der Verlauf der Straße wird bewusst gekrümmt, um eine Reduzierung der Fahrgeschwindigkeiten und somit eine geringere Lärmemission zu erzielen. Gleichzeitig bleibt durch die neue Verkehrsführung die letzte historisch wertvolle Straße des Quartiers erhalten. Das Ensemble verbindet so Lärm- und Klimaschutz mit hoher Aufenthaltsqualität und einer prägnanten architektonischen Geste.


Wohnungsgrundrisse:
Die Wohnungsgrundrisse folgen einem flexiblen Raster, das individuelle Anpassungen im Rahmen partizipativer Planungsprozesse erlaubt. Eine Vielzahl unterschiedlicher Wohnungstypen – von kompakten 2-Zimmer-Einheiten bis hin zu großzügigen Familienwohnungen mit bis zu fünf Zimmern – gewährleistet ein breites Spektrum für unterschiedliche Lebensmodelle und Einkommensverhältnisse. Durch eine effiziente Organisation der Sanitär- und Technikzonen wird der nutzbare Wohnraum maximiert. Alle Wohnungen orientieren sich zum ruhigen, begrünten Innenhof hin und verfügen über großzügige Verglasungen, die für viel Tageslicht und eine starke Verbindung zum Gemeinschaftsraum sorgen. Eine drei Meter breite Zugangsgalerie dient zugleich als privater Freibereich und sozialer Begegnungsort – ein Ort für zufällige Begegnungen ebenso wie für bewusst gelebte Nachbarschaft.
Officegrundrisse:
Neben dem Wohnraum bieten die Grundrisse auch Raum für zeitgemäße Arbeitsformen. Durch das flexible Raster lassen sich verschiedenste Bürokonzepte realisieren – von offenen Co-Working-Bereichen über Kombibüros bis hin zu abgeschlossenen Gruppenbüros. Insbesondere im Erdgeschoss sowie in Teilen der Obergeschosse sind diese Flächen so konzipiert, dass sie je nach Nachfrage einfach umgenutzt werden können. Dies fördert eine durchmischte Nutzung und ermöglicht den Bewohner:innen, Wohnen und Arbeiten an einem Ort zu vereinen. Die Integration gemeinschaftlich nutzbarer Räume – wie Küchen, Waschküchen oder Besprechungszonen – an zentralen Punkten innerhalb des Gebäudes verstärkt die soziale Interaktion und unterstützt eine nachhaltige, ressourcenschonende Alltagskultur.


Ansichten:
Die Fassadengestaltung nimmt bewusst Bezug auf die städtebauliche und kulturelle Umgebung. Die innere Hoffassade orientiert sich an der horizontalen Gliederung typischer Mehrfamilienhäuser im Viertel und setzt mit sanften Pastelltönen sowie einer klaren, zeitgenössischen Struktur moderne Akzente. Farblich rhythmisierte Elemente greifen die Ästhetik der ikonischen, gekachelten Fassaden Lissabons auf, während gleichzeitig Spielraum für die individuelle Gestaltung durch die Bewohner:innen bleibt – sei es durch Pflanzen, Möbel oder persönliche Farbakzente.
Die zur Brücke hin orientierte Außenfassade interpretiert die Formensprache traditioneller, ein- bis zweigeschossiger Giebelhäuser neu. Charakteristisch sind moderne Fassadenöffnungen mit Anlehnung an klassische Fenstergewände. Das Ergebnis ist eine streng gegliederte Lochfassade, deren Gleichmäßigkeit durch rhythmische Farbwechsel und eine dynamische Gebäudeform aufgelockert wird. So entsteht ein spannungsvoller Ausgleich zwischen dem rigiden städtebaulichen Kontext und einem lebendigen, freundlichen Erscheinungsbild.

